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Platte des Monats April 2016

The Range - Potential [Domino]

Autor(en): Jakob Wihgrab am Donnerstag, 7. April 2016
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Quelle: Domino Records

The Range - Potential

Es gibt viele gute Produzenten, The Range macht auf "Potential" jedoch etwas, das nicht nur gut ist, sondern auch besonders. Eine emotionale Reise durch die Weiten des Internets: Unsere Platte des Monats April.

„Right now I don't have a back up plan for if I don't make it“. James Hinton alias The Range hat keinen Plan B. Das abgeschlossene Physik Studium ist es jedenfalls nicht. Dafür arbeitet Hinton akribisch und jederzeit an seinen Songs irgendwo in einem Zwei-Zimmer-Appartement in Brooklyn. Wer sein zweites Album „Potential“ hört, merkt an jeder Sekunde wie sehr es vor Detailverliebtheit strotzt. Das Besondere sind aber nicht in erster Linie die Beats, Synthies oder Bässe, „Potential“ ist mehr als ein gutes Stück elektronische Musik, sondern erzählt eine Geschichte, nein, erzählt viele Geschichten. Um sie zu ergründen muss man aber mehr tun als bloß zuhören.

„I wish that everything was still the same“

Wer versucht ein selten geschautes Video auf Youtube zu finden muss entweder sehr genau suchen oder sich durch viele Seiten Ergebnisse klicken. James Hinton hat sich durch unzählige Seiten geklickt. Er benutzt YouTube nicht wie andere: Keine Justin Bieber Cover Versionen, keine Top Ergebnisse, keine Schminktipps oder Fail-Videos. Für ihn ist YouTube ein Instrument das er zu bedienen weiß. Die Samples auf „Potential“ hat Hinton aus kaum geklickten Videos von Rappern, Sängerinnen oder Hobby-Musikern. Jedem Song liegt mindestens ein Sample zu Grunde. Diesen Kunstgriff wählte er zwar schon auf seinem Debütalbum „Nonfiction“, doch gibt es auf „Potential“ einen großen Unterschied: Er macht die Namen der „Gesampleten“ öffentlich, beteiligt sie sogar an den Einnahmen und eine Dokumentation läuft bald weltweit auf Film Festivals. Auch beim Sound verschleiert er die Herkunft seiner Samples nicht, ein Rauschen begleitet das Gesprochene oder das Gesungene, was es von der Musik abhebt.

Es ist nicht nur der Zuhörer der mit dem verschiedenen Künstlern Geschichten erlebt, auch Hinton selbst verbindet mit Einigen bereits eine. Auf dem poppig anmutenden „Copper Wire“ rappt der junge Brite Kruddy Zak, mit dessen Zeilen Hinton den Tod seiner Mutter im Jahr 2009 verarbeitet: „2009 was emotional. It's the memory. I wish that everything was still the same ...could make it rain on a sunny day“.

"Move on to something bigger and better"

„Potential“ ist ein zeitgenössisches Manifest. Die Kunst aus schier unendlich vielen Videos eben genau diese Schnipsel herauszugreifen macht das Album zu etwas Besonderem, eben zu etwas was man so noch nie oder selten gehört hat. Wer diesen Background nicht kennt, wird das Album anders erleben, keineswegs als schlecht aber weniger emotional. Dennoch kann „Potential“ auch musikalisch überzeugen, die Musik ist nicht bloß Mittel zum Zweck und muss sich nicht dem Konzeptgedanken unterordnen. Da sind basslastige Songs, die sich am Tech-House oder Dubsteb orientieren, da ist Hip-Hop im Vorzeigetrack „Five Four“, ein Hauch Reggae in „1804“ und sogar ein wenig Klassik im instrumentalen „No Loss“, das anfänglich recht impressionistisch anmutet, sich dann aber schleichend zu einer treibenden Drum 'n Bass Nummer entwickelt.

The Range alias James Hinton hat eine emotionale Reise durch 11 Songs auf einen Tonträger gepresst. Zugegeben die komplette Erschließung des Album erfordert vom Hörer eine Eigenleistung, eine Recherche, ein Interesse, wer einzelne Songs auf iTunes kauft oder sich seine Playlist vom YouTube-Algorithmus vorgeben lässt, der lässt lieber die Finger weg. Alle anderen treten die Reise an.

 

 

"Potential" von The Range erschien am 25. März bei Domino Records.

 

 

Platte des Monats

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